Spätestens wenn ihr das erste Mal als AI Berater zusammen mit Geschäftsführer, Prozessingenieuren, Marketingleuten oder anderen Kollegen in einer Runde nach einem KI-Anwendungsfall sucht, dann merkt ihr, dass sich entweder keiner traut etwas zu sagen oder das ganze zumindest einfach keine Substanz hat. Im Worst-Case ist eine absolut unkreative Atmosphäre, da sich die Gruppe nicht gut kennt oder versteht. Obwohl alle schon etwas Ahnung von KI haben, da es einen Einführungsworkshop gab, sind nun alle etwas ratlos und fragen sich „Was sollen wir jetzt damit machen?“
Ich habe dafür in meinem Artikel „KI-Use-Cases in nur 5 Schritten!“ an dieser Situation systematisches und freies kombinieren von Ideen vorgeschlagen. Das unterstütze ich auch komplett, aber manchmal reicht das doch nicht bzw. es führt nicht zu einer zufriedenstellenden Idee. Hier kann es helfen, sich sogenannte Methoden der Analogiebildung zu Nutze zu machen. Dabei ist kreatives arbeiten selbstverständlich kein Wundermittel welches in jedem Fall hilft, sondern nur eine Stütze um Gedanken für Problemlösungen auf eine bestimmte Weise zu lenken und zu steuern. Insgesamt setzt die Analogiebildung unter allen Kreativitätstechniken (KT) besonders viel kreatives Denken voraus, da gedanklich zwischen „Echter Welt“ und „Abstrahierter Welt“ gewechselt wird. Des hohen Maßes an Kreativität sind dementsprechend aber auch die vielversprechenden Ergebnisse im Vergleich zu anderen KT gewidmet. Selbstredend ist diese KT nicht nur für die Entwicklung von Use-Cases mit Bezug zur KI einsetzbar, ich halte Sie für diese Aufgabe (mit Ausnahmen) aber für sehr geeignet, wenn den die Voraussetzungen (Teilnehmer, welche sich auf diese KT einlassen können & kreatives Denken halbwegs beherrschen, daneben schadet es gewiss nicht, wenn zumindest etwas KI- & auch Domänenwissen vorhanden ist) gegeben sind.
Dafür möchte ich vom Wording her kurz festlegen, dass eine Analogie auch mit Ähnlichkeit und Entsprechung verwendet werden kann. Im KI-Anwendu-ngsfall geht es also darum, Ähnlichkeiten mit etwas zu finden. Der Ablauf ist dabei selbstverständlich individuell festlegbar, es empfiehlt sich allerdings, einigen konkreten Schritten zu folgen:
1. Das Problem und Ziel definieren
Gleich zu Beginn fällt auf, dass das Problem oder die Problemstellung bekannt sein muss, da nur so etwas abstrahiert werden kann. Deshalb muss diese zu Beginn der Kreativmethode am besten kurz schriftlich skizziert und vor allem auch verstanden werden. Letztes ist enorm entscheidend, da nur ein Problem, welches komplett verstanden wird, sinnvoll abstrahiert werden kann. Das ist dabei anders als bei der bloßen Problemlösung, da eine Lösung des Problems auch hingepfuscht werden kann (siehe: Man kann vielleicht eine Dimensionsanalyse durchführen, wenn man 10 Beispieldimensionsanalysen neben sich hat, aber weiß dann am Ende immer noch nicht, was man da eigentlich gerechnet hat, „Klausureffekt“). Das Problem sollte dabei aus Ausgangssituation und Ziel der Suche bestehen.
Um diesen Kreativprozess besser vermitteln zu können, werde ich analog zur theoretischen Erklärung zu jedem Schritt ein Beispiel aufzeigen.
Ein Hersteller von Haushaltsgeräten (z.B. Föhne, Staubsauger, Waschmaschinen) würde gerne etwas mit Conversational User Interfaces (CUI) machen, aber weiß nicht so genau was (Problem). Der Geschäftsführer hört bei einem Vortrag von Constantin Keller über Use-Case Identifizierung von Analogiebildungen und trägt seinem Entwicklungsleiter nach dem sehr guten Vortrag gleich auf, dass sich seine Abteilung damit beschäftigen soll um eben eine geeignete Anwendung für CUI bei den Haushaltsgeräten zu finden (Ziel).
2. Die abstrakte Analogie finden
Sobald sowohl Problem als auch Ziel der Suche definiert sind, gilt es eine anschauliche Analogie zum für gewöhnlich ziemlich nüchternen Problem zu abstrahieren. Dabei wird sowohl die Problemstellung, als auch die Zielfrage abstrahiert. Dieser Schritt setzt dabei neben der bereits erwähnten Kreativität besonders ein hohes Maß an „Einlassen auf die Gedankenmethode“ voraus, da es für diesen Schritt keine vordefinierten Leitfäden gibt und Ideen in einem kreativen Prozess heraus ausgearbeitet werden müssen. Dabei kann es hilfreich sein, Abstrahierungen aus den folgenden Bereichen zu nehmen, insgesamt sind der Phantasie hier allerdings keine Grenzen gesetzt, je verrückter die Idee, desto mehr Spaß kann der Prozess machen. Besonders lohnenswert ist es hierbei außerdem, wenn die Abstraktion mit den Interessensbereichen der Teilnehmer korrespondiert.
Sollte ein Ansatz auf keinen grünen Zweig führen, so ist es gerne gesehen diesen Schritt (und alle folgenden) jeweils erneut zu wiederholen. Mögliche Bereiche für eine Abstrahierung wären:
– Natur, Flora & Fauna
– Reisen, ferne Länder und Kulturen
– Science-Fiction und Filmszenarien
– Lebensmittel und alltägliche Situationen
-…
In unserem Beispiel soll das CUI die Blume sein und die Haushaltsgeräte die Bienen sowie die anderen Lebewesen, welche mit den Blumen Symbiose betreiben oder anderweitig nutzen (z.B. der Botaniker, der sich am Aussehen der Blumen erfreut). Das Beispiel kam mir dabei direkt und ich weiß noch nicht, ob es zum Erfolg führen wird. Falls nicht, so könnte ich mir die Haushaltsgeräte auch als Asteroiden vorstellen und die CUI als Raumschiffe, etc.
Das klingt für euch liebe Leser vielleicht unglaublich wierd, aber das ist eben eine Kreativitätstechnik. Deshalb sage ich ja: Wenn das wirklich klappen soll, so muss man sich ganz und gar auf die Sache einlassen. Also weiter im Text.
3. Schlussfolgerungen in der abstrakten Welt finden
Das abstrahierte wird in einem nächsten Schritt kombiniert und mögliche Synergien und Berührungspunkte herausgearbeitet, sowie allgemein gesagt: Situationen, welche in der abstrakten Welt vorkommen können. Hierfür gibt es auch keine konkreten Regeln, was „zählt“ und was nicht. Die Ergebnisse werden in diesem (wie auch in jedem anderen) Teil des Prozesses schriftlich festgehalten, da nachfolgende Schritte ja immer auf den vorherigen Überlegungen aufbauen.
Die Arbeitsfrage würde sich in unserem Beispiel fragen, wo denn mögliche Berührungspunkte von Blumen & Lebewesen liegen würden. Dabei kommt man schnell auf die Pollen und den Blütenstaub der Blumen, welcher den Bienen Nahrung liefert aber auch den Blumen bei Fortpflanzung und des Überlebens maßgeblich hilft. Andere Feststellungen sind:
– Menschen finden die farbenfrohsten und seltensten Blumen am schönsten
– Manche Blumen sind giftig für bestimmte Lebewesen
– Neben Bienen nutzen auch Käfer und andere Insekten Blumen als Nahrungsquelle
– Aus manchen Blumen wachsen im Jahresverlauf Früchte (z.B. Hagebutten, Äpfel), diese essen Mensch & Tier
4. Die abstrakten Schlussfolgerungen auf das eigentliche Problem projizieren
Nun steht man mit einer ganzen Reihe an Zusammenhängen für ein ganz anderes Thema dar. Sobald man mit der Arbeit und den Ergebnissen zufrieden ist, kommt nun der spannende Schritt. Dieser kann selbstverständlich auch schon bei manchen Ideen während des Anwendens von Schritt 3 gekommen sein. Auch dann schriftlich Festhalten und in Schritt 5 ausdiskutieren. In allen anderen Fällen wird der Schritt 4 zum spannenden Schritt: Was können uns die Feststellungen aus der abstrakten Welt bezogen auf unser betriebliches Problem sagen? Dafür ist es ratsam, sich die zu Beginn der Kreativitätstechnik erstellten Analogien wieder vor Augen zu führen und auf Basis derer zu kombinieren. Dabei kann es bei Startschwierigkeiten durchaus nützlich sein, zunächst die Wörter konkret zu tauschen und darauf aufbauend Maßnahmen für mögliche KI-Anwendungsfälle einzuleiten. Auch hier sind die Ergebnisse maßgeblich von den Teilnehmern sowie der gewählten Abstrahierung abhängig.
Für die Fauna steht also so rum gesehen die Produktpalette der Haushaltsgeräte, für die Blumen stehen die Vielseitigen Möglichkeiten, Convolutional User Interfaces einzusetzen. Kombiniert könnte also ein Staubsauger die CUI brauchen um sich zu vermehren (wie wenn Bienen den Blütenstaub essen). Da komme ich direkt auf die Idee, das CUI eines Staubsaugers mit den sozialen Netzwerken zu verbinden und eine Highscore-Liste der Autonom Staubsaugenden Roboter zu erstellen. Außerdem mögen Menschen schöne und seltene Blumen. Das bedeutet übertragen, dass nicht jedes Haushaltsgerät mit jedem CUI funktioniert, und es für die verschiedenen Geräte spezifische CUIs benötigt (tolle Erkenntnis). Durch den Zusammenhang, dass aus Blumen (CUIs) Früchte für die Tiere (Maschinen) wachsen, komme ich auf die Idee, dass man ein geräteübergreifendes CUI System entwickelt. Außerdem komme ich darauf, dass eine Spracheingabe für den Staubsauger kombiniert mit einer Bilderkennung für den Raum sinnvoll wäre, um beispielsweise über eine CUI Sprachkommandos wie „Staubsauge doch bitte unterm Sofa“ oder „vor dem Herd liegen Krümel, mach die bitte weg“ mitzuteilen. Man könnte das hier sicher noch endlos so weiterdenken.
Auch hier der Hinweis zu meinem Beispieltext, dass die Gedankensprünge zwischen den Zusammenhängen in der abstrakten Welt sowie den (KI-)Anwendungen in der betrieblichen Praxis von außen betrachtet nicht wirklich nachvollziehbar erscheinen. Das stimmt und liegt daran, dass im kreativen Prozess des Kombinierens viele verschiedene Ideen unterschiedlicher Güte entstehen können. Ich habe hier versucht, so ungefiltert es mir möglich war meine Assoziationen zu teilen.
5. Diskutieren, Bewerten und Konkretisieren der Ergebnisse
Sobald die Vielzahl an Ideen niedergeschrieben wurde, gilt es diese zu ordnen und auszusortieren. Dieser Prozess ist relativ gleich mit dem Endprozess anderer Kreativitätstechniken mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Austausch zwischen den beteiligten Teilnehmern (vorausgesetzt es wurde nicht alleine durchgeführt, geht natürlich auch) mit besonderem Augenmerk auf Anwendungen liegt, welche von gleichen abstrakten Schlussfolgerungen kommen. So bekommt man zugleich ein gutes Gefühl dafür, wie die anderen Teilnehmer denken und es können interessante Gespräche entstehen.
Mir gefällt das letzte Beispiel mit der Kombination von Kameratechnik und Spracheingabe ganz gut. Die vorherigen Ideen gehen eher in Richtung sinnvolle Feststellungen, beziehungsweise im Bezug auf diese Social-Media Idee in Richtung nutzlos aber eventuell netter Marketinggag. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit den gewonnenen Ergebnissen, da ich nur mit oberflächlichem Anwenderwissen von Haushaltsgeräten (dafür aber mit fundiertem CUI Wissen) einige schöne Ideen hatte.
Nun sei abschließend gesagt, dass eine Idee alleine keinen Wert generiert – die Verwirklichung schon. Nach der Ideenkonkretisierung sollte also eine durchdachte Umsetzung folgen um das Potenzial bestmöglich nutzen zu können!
Jetzt bleibt mir abschließend nur, euch viel Spaß bei der Umsetzung von Analogiebildungen zu wünschen! Schreibt mir sehr gerne, wenn es geklappt hat, ihr wisst wie ihr mich erreicht!
Euer Consti