Heute möchte ich mich einmal damit befassen, welche Möglichkeiten sich neben den leicht ergoogelbaren und bereits (halbwegs) etablierten Standartsoftwarelösungen für verschiedenste Lohnfertiger erkennen lassen. Dazu werde ich an dieser Stelle einige Gedankenanstöße geben und überlegen, wohin die Reise mit KI hingeht.
Doch warum lohnt sich der separate Blick auf die „Branche“ der Lohnfertiger, also den Betrieben, die im Grunde nur für externe Kunden Produktion übernehmen, da diese gerade Kapazitätsengpässe haben oder nicht über bestimmte Fertigungstechnik verfügen, oder oder oder? Nunja, Lohnfertiger haben in der Regel eine schlechtere Planbarkeit der Aufträge, sind stärker von den Kundenaufträgen abhängig, haben auf Grund fehlender eigener Produkte oft weniger Skalierungsmöglichkeiten, sind personell zwischen einem und 50 Mitarbeitern und oft auf eine oder einige wenige Fertigungstechniken spezialisiert (z.B. Wasserstrahlschneiden, Kaltumformung etc.). Für letztere Beispiele habe ich dabei schon Bekanntschaft mit Lohndienstleistern gemacht und positioniere mich daher nicht als Fachfremd, habe aber auf Grund der Kürze der Kontaktpunkte dennoch auf keinen Fall eine Betriebsblindheit erlangt. Zudem lohnt sich der Blick auf Lohnfertiger, da diese eine riesengroße Kundengruppe für Maschinenbauer darstellen – und man sollte immer genau auf die Bedürfnisse seiner Kunden hören, beziehungsweise diese schon rechtzeitig erkennen, gerade in so wettbewerbsentscheidenden Themen wie dem Einsatz von KI.
So, nun aber genug der einleitenden Worte, wie wird den KI nun in Zukunft den Lohnfertiger erreichen? Hier möchte ich mehrere Möglichkeiten aufzählen:


1. KI-Gestützte Planung
Ich schreibe hier ganz bewusst und vielleicht schon ein bisschen provokant ganz plakativ „Planung“ ohne zugehöriges Nomen wie „Produktions-/Personal-/Auftrags-/Bestellmengen-/Zeit-“, da ich davon ausgehe, dass Lohnfertiger genau wie alle anderen (Industrie-) Unternehmen jeglicher Größe in Zukunft immer mehr Planung mit Hilfe von KI durchführen werden, bis hin zu komplett autonomen Planungsvorgängen. So ist beispielsweise denkbar, dass die KI die Aufträge unter Berücksichtigung bestimmter Attribute wie z.B. Materialbedarf, Kosten, Auftrags-/Fertigungszeit automatisch auf die einzelnen Maschinen (oder Maschine, je nach Betrieb) optimiert plant und so die Kapazitäten des Lohnfertigers bestmöglich ausgelastet werden können. Und ja ich weiß, teilweise wird das schon heute so praktiziert – was sich aber noch deutlich ändern wird, ist die Art der Planungstiefe sowie die Qualität der Unterstützung der Optimierung für die Ressourcenverwendung. Das spart am Ende Zeit, Geld und senkt dabei Ressourcenverbrauch und Emissionen.


2. Losgröße 1 und KI
Selbstverständlich unterstützt die KI nicht nur im Büro bei Planungstätigkeiten, sondern wird auch in der Maschine immer weiter Verwendung finden. Hier ist es auch sehr spannend sich vor Augen zu führen, dass Lohnfertiger stark schwankende Stückzahlen fertigen – mit dem klaren Trend in Richtung Losgröße 1. Dabei kann kein klassisches KI-Modell die Qualität des Bauteils zuverlässig bewerten, wenn es keine ordentlichen Trainingssdaten gibt (da dieses Bauteil zum ersten und vielleicht auch letzten Mal gefertigt wurde). Hierbei werden in Zukunft immer stärker dennoch KI-Modelle unterstützend helfen können, da diese immer besser mit sogenannten künstlich generierten Daten trainiert werden können. Es gilt zwar nach wie vor die Devise, dass „nichts über echte Daten geht“, allerdings gewinnen künstliche Daten durch immer besser werdende digitale Zwillinge enorm an Bedeutung und werden dies auch in den kommenden Jahren weiter tun. Es wird daher immer rentabler, KI bis zur berühmten Losgröße 1 anzuwenden und so auch das Leben der Lohnfertiger einfacher machen. Hierzu könnte ich allerdings ein eigenes Buch schreiben, daher sei hierzu abschließend gesagt, dass KI auch in produktionstechnische Bereiche Einzug finden wird, in denen bislang keine KI zum Einsatz kam.


3. Verbesserung des Status Quo
Neben den immer neuen KI-Use-Cases, welche in Zukunft entstehen werden, bleiben die alten selbstverständlich nicht auf dem Status Quo stehen. Gerade im Bereich des Predictive Maintenance wird sich in den kommenden Jahren mindestens so viel tun wie in den vergangenen Jahren. Diese Entwicklung liegt weiterhin daran, dass Datenverfügbarkeit, Rechenleistung sowie Software (z.B. Algorithmik) fortlaufend weiterentwickelt wird und bei immer mehr Betrieben an Bedeutung gewinnt. Lohnfertiger müssen (wie alle anderen Industrieunternehmen auch) ihre Maschinen alle Jahre bis Jahrzehnte erneuern. Dabei werden die neuen Maschinen immer mehr mit KI wie Predictive Maintenance bis hin zu Präskriptiven Analysen ausgestattet sein und KI damit dem Lohnfertiger nutzen.


4. Robotik
Im Prinzip zum Status Quo gehörend, wird sich auch die Robotik weiterentwickeln. Heute lohnt sich ein Industrieroboter meist nur in Massenproduktionen und allgemein größeren Firmen, aber nicht bei kleinen Firmen mit geringen Stückzahlen und sehr inhomogenen Produkten. Mit Hilfe der KI wird sich allerdings auch das sukzessive ändern, da Roboter so mehr und mehr eigenständig Aufgaben lösen können, bzw. die Bedienung wesentlich nutzerfreundlicher und vielseitiger wird. Konnte beispielsweise ein Roboter früher nur von A nach B greifen, so wird er in Zukunft selbstständig Wasserstrahlteile aufsammeln können, nach Qualität bewerten und richtig verpacken.


Zusammenfassend wird sich, wie in allen Bereichen der Industrie, auch bei der hoch flexiblen und nicht vorhersehbaren Fertigung von Lohnfertigern dank KI einiges verändern. Dabei sollten die neuen Techniken allerdings nicht mit Angst herbeigesehen werden, sondern vielmehr als Chance für Wachstum und Kosteneinsparung. Es muss hier selbstverständlich nicht gleich der autonom arbeitende Roboter sein, vielmehr beginnt der Wandel zu mehr Arbeitsqualität vermutlich im Kleinen am PC in Form von Planungssoftware und an der Maschine im MES und wird erst in den nächsten 5-10 Jahren bis zum Roboter gehen, der eine Maschine ökonomisch rentabel bedienen kann. Eine grobe Übersicht dazu habe ich versucht in Abbildung 1 zu visualisieren.

Abbildung 1: Zeitverlauf der (KI-) Tätigkeiten für Lohnfertiger


Für mehr Informationen zum Thema kann ich Ihnen besonders diese Podcast-Folge zum Thema KI in der Lohnfertigung vom Podcast KI in der Industrie sowie diesen Artikel von Thomas Heinen empfehlen.
Nun bedanke ich mich wie immer herzlich bei Ihnen fürs Lesen, melden Sie sich sehr gerne, wenn Sie Fragen haben!

Constantin